Projekt Parteientwicklung

Projekt Parteientwicklung

Projekt Parteientwicklung / KV Wesermarsch

 
2007 – Gründung des KV Wesermarsch
2008 – Kandidatur von Gerd Coldewey zum nds. Landtag
2009 – Kandidatur von Edgar De Benedetto zum Deutschen Bundestag
2011 – Nds. Kommunalwahl (8 Mandate)
2013 – Kandidatur von Thomas Bartsch zum nds. Landtag (Januar)
2013 – Kandidatur von Thomas Bartsch zum Deutschen Bundestag (September)
 

Kreis: Wesermarsch / Zusammensetzung / Mandate

Kreistag Jens Harders (BRA) und Thomas Bartsch (NOR)
Gemeinde Berne – 2011 LINKEN-Kandidatur / Kein Mandat
Stadt Brake (Unterweser) – Ratsmitglied Dieter Hashagen
Gemeinde Butjadingen – Uwe Hänßler
Stadt Elsfleth – Edgar De Benedetto
Gemeinde Jade – 2011 Keine Kandidatur –
Gemeinde Lemwerder – 2011 Keine Kandidatur
Stadt Nordenham – 26.448 Einw. (31.12.2013) Linksfraktion: Astrid Ammermann u. Thomas Bartsch
Gemeinde Ovelgönne – 5437  Einw. (31.12.2012) Keine Kandidatur
Gemeinde Stadland -7462 Einw. (31.12.2o12) Gerd Coldewey
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neues-deutschland.de / 28.02.2013 / Seite 1

Linke verliert überall Mitglieder

Zahl der Genossen fällt fast auf das Niveau vor der Fusion 2007 zurück

Berlin (nd). Die Linke ist im vergangenen Jahr weiter geschrumpft. Wie jetzt veröffentlichte[1] Zahlen zeigen, zählte die Partei Ende 2012 bundesweit nur noch 63.761 Mitglieder. Der Verlust an der Basis ist länderübergreifend: Die Zahlen der Genossenkartei waren sowohl im Osten als auch im Westen im Minus. Deutliche Abgänge hatte zum Beispiel der Landesverband Nordrhein-Westfalen (um 16 Prozent) zu verbuchen, die Berliner Linke büßte rund sieben Prozent ein. Die meisten Mitglieder zählt der Landesverband Sachsen, die wenigsten gibt es in Bremen.

Die Mitgliederzahlen[2] der Linken sinken bereits seit einiger Zeit. Zum Teil gingen die Rückgänge auf Bereinigungen der Karteien von Nichtzahlern zurück, in den neuen Ländern können Neueintritte die Zahl der Sterbefälle nicht mehr kompensieren. Hinzu kommen Austritte aus politischen Gründen. Höhepunkt der Mitgliederentwicklung war das Jahr 2009 als die Linke über 78 000 Genossen zählte. Ende 2011 sank die Zahl wieder unter die Marke von 70 000, Ende 2012 war ein Stand erreicht, der nur noch wenig Abstand zum Mitgliederniveau der Linkspartei vor der Fusion mit der WASG hat. Ende 2006 gab die damalige PDS einen Mitgliederstand von gut 60 000 an.

Bereits im vergangenen Herbst hatte der Vorstand der Linkspartei »die Gewinnung neuer Mitglieder als ein herausgehobenes Ziel« bezeichnet[3], das »verstärkt in das Bewusstsein aller Gliederungen, Mitglieder und der Abgeordneten der Partei rücken« müsse. Nach Ansicht des Gremiums biete gerade »die Zeit hoher Aktivität im Wahlkampf« dazu Möglichkeiten. Von der Mitgliederentwicklung ist nicht nur die Arbeit der Linken vor Ort maßgeblich abhängig, sondern auch der Zustand ihrer Finanzen.

Knapp 38 Prozent der Parteimitglieder der Linken sind Frauen. Ihr Anteil liegt in den Ostländern deutlich höher – zwischen 43 und 45 Prozent. Im Westen ist nicht einmal jedes dritte Mitglied eine Frau, in den südwestlichen Landesverbänden kommt ihr Anteil nicht einmal auf 25 Prozent. Frauen sind in Parteien generell unterrepräsentiert, bei Linken und grünen liegt der Anteil aber im Vergleich zu anderen höher. Es gibt aber, wie die aktuellen Zahlen der Linken erneut zeigen, deutliche regionale Unterschiede.

Links:

  1. https://www.die-linke.de/partei/fakten/mitgliederzahlen/
  2. https://www.die-linke.de/partei/fakten/mitgliederzahlen/mitgliederzahlen20072011/
  3. https://www.die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand20122014/beschluesse/intensivierungdermitgliedergewinnungundeinbindung/

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/814368.linke-verliert-ueberall-mitglieder.html
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24. Februar 2014
Ukraine: Ja zur Demokratie – Nein zu Geopolitik und Faschismus!
In der Ukraine wird gerade Geschichte gemacht- allerdings kann noch niemand sagen, wie es ausgeht. DIE LINKE unterstützt Bewegungen für Demokratie und Rechtsstaat, gegen Korruption und Oligarchien. Gerade deswegen kritisieren PolitikerInnen der LINKEN, dass die Ukraine und ihr zugehörige Halbinsel Krim von den Großmächten USA/EU einer- und Russland andererseits zum Spielball ihrer geopolitischen Interessen gemacht werden. Viele deutsche Medien machen es sich leicht und schieben die Schuld an der Gewalteskalation und den Abspaltungsversuch der Krim einseitig auf die russisch unterstützte Regierung des inzwischen zurückgetreten Wiktor Janukowitsch. Dagegen weisen PolitikerInnen der LINKEN auf den Einfluss von Oligarchen in nahezu allen Parteien der Ukraine sowie auf die Rolle der radikal-nationalistischen Partei Swoboda hin. Wir haben hier einige Stellungnahmen und Analysen zur Ukraine gesammelt.

  • Die Informationstelle Militarisierung aus Tübingen bietet eine Analyse geopolitischer und ökonomischer Aspekte des Konfliktes in der Ukraine. Die IMi beleuchtet auch die Bedeutung des gescheiterten, neoliberalen Assoziationsabkommens zwischen Ukraine und EU.
  • Der Europapolitiker Andrej Hunko MdB, findet klare Worte gegen die radikal rechten Kräfte innerhalb der Opposition in der Ukraine und warnt vor jeder Verharmlosung: Die Partei Swoboda, die leider gegenwärtig zusammen mit dem rechten Block die organisatorisch und ideologisch dominante Kraft auf dem Maidan ist, wird vom Jüdischen Weltkongress als neonazistisch eingestuft. Die europäischen Bündnispartner dieser Partei sind die Jobbik in Ungarn, die British National Party in Großbritannien oder in Deutschland ‑ Vertreter von Swoboda waren einmal hier gewesen ‑ die NPD in Sachsen. Das ist die politische Ausrichtung dieser Partei. Wir fordern ganz klar, dass die Kooperation mit solchen Kräften beendet wird. Seine Bundestagsrede gibt es auch als Video.
  • „Die EU hat mitgeputscht!“, kritisiert der linke Außenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke. Die Grünen jubeln. Der halbe Satz Rosa Luxemburgs, der von ihnen stets gern zitiert wird, ‚Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden …‘ gilt nur, wenn der Andersdenkende nicht gerade pro russisch oder gar ein Sozialist oder Kommunist ist“.
  • „Auch die Grünen scheinen mir sehr geschichtsvergessen“, so die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer zur aktuellen Ukraine- und Russland-Politik ihrer Partei. „Ich habe immer gewusst, dass wir für den Bruch des Völkerrechts im Kosovo-Krieg irgendwann von Russland oder China die Rechnung vorgelegt bekommen“.
  • Gregor Gysi plädiert im Bundestag am 13. März für eine diplomatische Lösung des Konflikts. Seine Rede gibt es zum Nachlesen oder zum Anschauen als youtube-Video.
  • Vor einem Wiederaufleben eines „Kalten Krieges“ warnt Andrej Hunko. In seiner Pressemitteilung betont er, es sei jetzt wichtig, „diese Kalte-Kriegs-Logik zu durchbrechen. Dazu gehört, die Dämonisierung Russlands aufzugeben, Gesprächsfäden zu knüpfen statt sie abzubrechen. Dazu gehört, die Kooperation mit Rechtsextremen zu beenden. Dazu gehört eine Neuausrichtung der EU-Ostpolitik, die nicht von geopolitischem Hegemoniedenken und neoliberalen Wirtschaftsideologien geprägt ist, sondern von echter Kooperation. Dazu gehört es auch, die unerträgliche Doppelmoral in den internationalen Beziehungen zu beenden. All das ist notwendig, um einen neuen kalten Krieg zu vermeiden, aber auch um der ukrainischen Bevölkerung die Chance zu geben, die Oligarchisierung des Landes politisch zu beenden“.
  • Bei den VeranstalterInnen des Friedensratschlags findet sich eine aktuelle Beitragsammlung zur Ukraine.

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23. April 2014

Stadtverordnetenversammlung

Bremerhavener Politiker wechselt Partei

Der Bremerhavener Stadtverordnete Walter Müller ist von der „Wählervereinigung für Bremerhaven“ zur Partei „Alternative für Deutschland“ (AFD) gewechselt. Das teilte der AFD-Landesverband Bremen mit. Müller sagte, er habe große inhaltliche Übereinstimmungen mit der AFD festgestellt, unter anderem in der Haltung zu Europa. Auch er sei immer EU-Kritiker gewesen. Deswegen wolle die Wählervereinigung nun mit ihrem Mandat die AFD unterstützen. Müller saß von 2007 bis 2011 für die Partei „DIE LINKE.“ in der Stadtverordnetenversammlung.
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Seminar / Kreisvorstand mit Vorstandsmitglieder sowie Ratsmitglieder

Strategische Öffentlichkeits- und Medienarbeit (Non-Profit-Organisationen)

Konzeption, Strategien und gezielte Zusammenarbeit mit den Medien den Medien

Kommunikations-Management
Schwerpunkt: Basismodul
 

Sympathie und Vertrauen in unsere gesellschaftspolitische Arbeit sind die Basis für gelungene Beziehungen. Je professioneller die eigene Öffentlichkeits- und Medienarbeit gelingt, desto eher gelangen Ihre Themen, Botschaften und Nachrichten an Ihre Zielgruppen. Wenn gesellschaftspolitische Organisationen sich profilieren und für ihre Ziele wirksam werben wollen, hilft ein stimmiges Kommunikationskonzept mit dem richtigen Mix aus Profi l, Inhalten und Zielgruppenansprache. Sie benötigen dafür ein Verständnis für Ziele, Strukturen, Instrumente und nicht zuletzt für die Psychologie der DialogpartnerInnen in den Medien.

Inhalte:

  • Strategische Öffentlichkeitsarbeit: Definitionen und Grundlagen !!!!  KV-Hohe Prior. / 1
  • Das Zielbild der strategischen Kommunikation: Vision, Mission und Ziele
  • Dialoggruppen: Soziale und Politische Milieus, Anspruchsgruppen !! KV-Hohe Prior. / 1
  • Instrumentenebenen und Wirkungen: Information, Dialog, Erlebnis
  • PR-Konzeption und Strategieansätze: Bausteine der strategischen Arbeit
  • Werteorientierte Kommunikation: politische Sprache und ihre Macht
  • Issue Management und Agenda Setting: Themen entwickeln, Botschaften formulieren, Nachrichten generieren
  • Imagebildung: Identität und Profil
  • Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit: Erfolgsfaktoren – von print bis online

 

Ihr Nutzen:

Sie lernen die Grundlagen und Instrumente der strategischen Öffentlichkeits- und Medienarbeit kennen. Sie erfahren, wie Sie auch mit begrenzten Budgets eine erfolgreiche PR in Ihrer Organisation verwirklichen können. An praktischen Beispielen trainieren Sie mit Lust und Kreativität, wie Sie eine PR-Konzeption skizzieren, den Nerv von Zielgruppen treffen und entwickeln Ideen für eine erfolgreiche Medienarbeit. In Text- und Stilübungen trainieren Sie das Formulieren von prägnanten Botschaften.

Methoden:

Impulsreferate, Einzelarbeit mittels Transferbuch, Gruppenarbeit, Bearbeitung eigener Entwürfe, strukturierter Erfahrungsaustausch, Kreativkonzepte und Textübungen, Feedback

Zielgruppe:

Führungskräfte in Parteien, Verbänden und Vereinen, Beauftragte für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und PressesprecherInnen
 
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Süddeutsche.de     vom 1

Parteispenden von Unternehmen Da sagt DIE LINKE. doch nicht Nein

Parteitag Linke Bild vergrößern

Beim Parteitag der Linken gratulieren die beiden Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping (links) und Bernd Riexinger, der Europa-Spitzenkandidatin Gabi Zimmer.

(Foto: dpa)

Die Linke geriert sich gerne als Kämpferin gegen Unternehmensspenden an Parteien. Ihrer eigenen Partei aber wollen die Delegierten auf dem Berliner Parteitag diese Zuwendungen nicht verbieten. Damit sitzt die Linke in der Glaubwürdigkeitsfalle.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Die Linke kämpft ja an vielen Stellen gegen alles, was sie als ungerecht empfindet. Eine dieser Ungerechtigkeiten sind Spenden von Unternehmen an Parteien. Wo immer es geht, haben die Linken ein Verbot solcher Spenden gefordert. Im Parteiprogramm heißt es deutlich, die Linke sei „gegen die Erpressungsmacht großer Konzerne, für ein Verbot von Spenden von Unternehmen an Parteien“. Ähnliches findet sich in den Wahlprogrammen der Linken.
Zuletzt hat die Bundestagsfraktion der Linken so ein Verbot gefordert. Im Januar erst formulierte sie einen Antrag, in dem ein Spendenverbot von Unternehmen gefordert wird.
Die Haltung dürfte also klar sein. Oder doch nicht?
Wenn es um ein Verbot geht, scheint die Linke ganz vorne dabei sein zu wollen. Einen Alleingang aber wagt sie nicht. Auf ihrem Parteitag in Berlin haben die Delegierten nun einen Antrag abgelehnt, mit dem sich die Linke selbst endlich verboten hätte, Spenden von Unternehmen anzunehmen.

Glaubwürdigkeit in Gefahr Eine merkwürdige Entscheidung ist das. Sie rüttelt gehörig an der Glaubwürdigkeit der Partei, dem höchsten Gut der Partei. Mit Wahlplakaten und Slogans wie „Wählt Die Linke. Denn wir lassen uns nicht kaufen“ dürfte sich die Partei künftig schwertun. Zumindest hat sie es ihren politischen Gegnern leicht gemacht, Kritik an den Spenden auszuhebeln.
Es spricht einiges dafür, Unternehmensspenden zu verbieten: Solche Zuwendungen dienen immer der politischen Landschaftspflege. Ein ordentlicher Batzen Geld hilft, in den Parteien die Ohren zu öffnen. Solche Spenden sind Türöffner zu den Entscheidungsträgern in Parteien, Parlamenten und Regierungen. Mit dem Geld werden Zugänge erkauft. Das ist unanständig. Von den Unternehmen. Und von den Parteien, die sich darauf einlassen.
Es ist gut, wenn sich eine Partei hier klar positioniert. Die Linke hat das bisher getan. Aber auch wenn sie in Zukunft weiterhin brav keine Spenden von Unternehmen annimmt: Die Möglichkeit hat sich die Partei jetzt sehr bewusst offen gelassen. Und damit ihre eigene Position massiv geschwächt.
Ein Grund weniger, die Linke zu wählen.


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e187bd5f28benjamin-immanuel hoff

die linke: partei neuen typs?

milieus – strömungen – parteireform
eine flugschrift
statt eines vorwortes:
ein brief an den autor von katja kipping

144 Seiten | 2014 | EUR 12.80
ISBN 978-3-89965-614-5

Kurztext: Was für eine Partei ist DIE LINKE und wo geht sie hin? Wer wählt DIE LINKE und warum? Wie verlaufen die Konfliktlinien in der Partei und was ist die Klammer, die all die unterschiedlichen Akteure zusammenhält?

Leseprobe:
www.vsa-verlag.de-hoff-die-linke.pdf151 K

Die Partei DIE LINKE ist eine junge Partei mit langer Tradition und vielen spannenden Gegensätzen in ihrer organisatorischen Verankerung in den alten und nicht mehr so neuen Bundesländern, in urbanen Zentren und dem ländlichen Raum, in der Altersstruktur und im politischen Selbstverständnis. Mehrfach totgesagt ist sie immer wieder aufgestanden und mittlerweile ein aus dem Parteienspektrum Deutschlands nicht mehr wegzudenkender Faktor.

In der Diskussion darüber, was DIE LINKE sieben Jahre nach ihrer Gründung ausmacht und von den anderen Parteien unterscheidet, sprechen etwa die beiden Vorsitzenden, Katja Kipping und Bernd Riexinger, davon, dass sie eine »aktive Mitgliederpartei« sei, die auf das Hegemonie-Konzept des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci Bezug nimmt.

Deshalb werden die Milieus, aus denen die Wähler_innen der Linkspartei stammen, aufgefächert und erläutert. Und schließlich wird der Frage nachgegangen, was die Milieus sind, aus denen die Mitglieder und Aktivist_innen stammen und wie sich diese in den Flügeln und Strömungen niederschlägt.

Das Buch richtet sich an die Mitglieder und Funktionsträger der Linkspartei, die sich nicht durch das Dickicht der von der Parteienforschung angebotenen Modelle und Theorien schlagen wollen. Es soll zugleich dazu beitragen, innerhalb von SPD und Grünen zu einem besseren Verständnis dieser noch jungen Partei zu kommen. Vor allem jedoch ist es ein Diskussionsangebot jenseits parteipolitischer und ideologischer Scheuklappen über die Perspektiven linker Politik.

Der Autor:
Benjamin-Immanuel Hoff ist Mitglied der Partei DIE LINKE und war von 2010 bis 2013 Bundessprecher des Forum Demokratischer Sozialismus (fds). Von Dezember 2006 bis Dezember 2011 war er Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in Berlin. Heute arbeitet er als Honorarprofessor und Unternehmensberater.

Quelle: nc/buecher/detail/artikel/die-linke-partei-neuen-typs/
 
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Katja Kipping und Bernd Riexinger

Verankern, verbreiten, verbinden

Projekt Parteientwicklung. Eine strategische Orientierung für DIE LINKE

Zum Zustand der Partei

DIE LINKE ist eine junge Partei, die in wichtigen Teilen noch in Gründung ist. Entgegen den Unkenrufen aus den Reihen der Sozialdemokratie und weiten Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit, ist es nicht gelungen, die LINKE zu marginalisieren. Und doch ist es nach über sechs Jahre nach Gründung der Partei Zeit für eine kritische Bestandsaufnahme und einen Entwurf für die Zukunft. DIE LINKE wird wieder im deutschen Bundestag vertreten sein; ihre Stimme wird nicht schwach sein. In den noch laufenden Verhandlungen um die zukünftige Regierung wird deutlich, dass DIE LINKE die einzige Partei ist, die ganz deutlich für eine gesellschaftliche Alternative, für eine andere Zukunft streitet. Dafür ist es notwendig, DIE LINKE zu verbreitern und sie noch stärker in der Gesellschaft zu verankern.

Die Gründung der LINKEN ist von großem Zuspruch und großer Sympathie getragen und begleitet worden. Dass sich linke Kräfte zusammenfinden statt sich zu spalten, ist in der linken Geschichte selten genug gewesen. Erstmalig entstand aus den verschiedenen Traditionen des demokratischen Sozialismus, der gewerkschaftlichen Arbeit, der sozialen Bewegungen, der Frauenbewegung, der Ökologiebewegung, aus antirassistischen antifaschistischen Traditionen und aus der linken Sozialdemokratie ein gesamtdeutsches Projekt. Die vielen Erfahrungen aus der PDS einerseits ¬- aus der schwierigen Wiedergewinnung einer Perspektive des demokratischen Sozialismus, der großen Anstrengung einer erneuerten Partei in Parlament und als „Kümmerer“ vor Ort – und aus der WASG, dem Bestehen auf einer Alternative zu Neoliberalismus und Agenda2010 andererseits, gingen darin auf. Für Viele war (erst) dieses neue Projekt attraktiv und DIE LINKE wuchs schnell. In den folgenden Jahren war DIE LINKE eine verlässliche Stimme für eine friedliche und soziale Perspektive jenseits des finanzgetriebenen Kapitalismus – gegen Sozialabbau und Massenerwerbslosigkeit, gegen die zunehmende Kultur von Angst und sozialen Zumutungen und gegen die Aushöhlung der Demokratie.

Opposition zum Neoliberalismus

DIE LINKE. ist entstanden vor dem Hintergrund der Verallgemeinerung des Neoliberalismus in Europa durch die Neue Mitte / New Labour, in Deutschland konzentriert mit der Durchsetzung der Agenda 2010. Die Entwicklung war ein europäisches Phänomen. Indem Sozialdemokratie und weite Teile der Gewerkschaften den Rahmen dieser neoliberalen Politik nicht mehr in Frage gestellt haben, wurde das Feld der Repräsentation und Organisationen durchgerüttelt und neu zusammengesetzt. Die leidvollen Erfahrungen vieler Menschen mit den neuen Regimen der Arbeit und der Verwaltung der Massenarbeitslosigkeit in der „Aktivierung“ fanden kaum Ausdruck in Parlamenten und Öffentlichkeit. In vielen europäischen Ländern stärkte dies rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte, die die Sorgen der Menschen rassistisch und nationalistisch/regionalistisch wendeten. Sie stilisierten sich zu Verteidigern der „ehrlichen und hart arbeitenden Menschen“ und wollten die Lücke in der Repräsentation nutzen, die die neoliberalen Sozialdemokratien gelassen hatten.

In Deutschland hat sich DIE LINKE. gebildet. Sie hat die Funktion eingenommen, die Widerständigkeit und die Proteste aufzugreifen, sie mit konkreten politischen Zielen zu verbinden und diese auch ins Parlament einzubringen. Sie hat den Versuchen im Weg gestanden, Leiden und Wut über die erfahrenen Ausgrenzungen und Entwürdigungen wiederum zur Abwertung von anderen – von Migrantinnen und Migranten oder Armen – zu nutzen. Sie war Sprachrohr für Bewegungen und Widerstand und hat in den Bewegungen treibend und systematisierend gewirkt – selbstredend nicht allein, sondern mit anderen Zentren von Organisierung und Selbst-Organisierung.

Wandel der Beschäftigung, Wandel der Organisationen

Mit Neoliberalismus und finanzgetriebenem Kapitalismus, mit dem Wandel der Sozialdemokratie sind die Gewerkschaften in die Defensive und Globalisierungsfalle geraten: Die Verteilungsspielräume sanken, die Struktur der Beschäftigung wandelte sich. Eine als angemessen empfundene Kompensation für diejenigen, die bis dahin von ihnen repräsentiert wurden, konnten sie vielfach nicht mehr erreichen. Ausgegliederte Dienstleistungen wurden in den Organisationsbereich der Dienstleistungsgewerkschaften verschoben. Die dauerhafte Entwertung personennaher Dienstleistungen und die Verarmung der öffentlichen Hand und der Kommunen schwächten die Dienstleistungsgewerkschaften dauerhaft. Die Mitgliedszahlen sanken in allen Bereichen. Die Agenda-Politik schuf einen Niedriglohnsektor in bis dahin ungekanntem Ausmaß; mehrheitlich arbeiten dort Frauen. Gleichzeitig werden dauerhafte Spaltungen der Beschäftigten geschaffen: von Kernbelegschaften und Niedriglohn (und prekären Selbständigen, von Menschen ohne Papiere in Haushaltsdienstleistungen, Erwerbslose usw.). Gemeinsame Perspektiven, Forderungen und Strategien können kaum noch gefunden werden.

Die neoliberale Entmächtigung dieser Organisationen und Kompromissbildungen trifft auf geschwächte Kräfte der Selbstorganisation.(1) Versuche, jenseits der großen Organisationen, die Spaltungen zu bearbeiten – etwa in den Protesten gegen die Agenda 2010 mit der Plattform 500-30-10, in der Forderungen der Erwerbslosen nach Erhöhung des Hartz IV-Satzes auf 500 Euro verbunden wurden mit der Forderung nach 10 Euro Mindestlohn und einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden – konnten die Gewerkschaften ein wenig in Bewegung bringen. Es gelang weder, in die „Kernbelegschaften“ vorzudringen, noch auf der Ebene der parlamentarischen Entscheidungen Einfluss zu gewinnen. Die Gründung der LINKEN hat in dieses Feld gewirkt.

Seit der Krise

Auf das Einsetzen der weltweiten Krise reagierte die deutsche Regierung schnell mit Stärkung der Exportindustrie (und Bankenrettung). Ein Teil der Gewerkschaften fand sich in einem scheinbar neu aufgelegten Verhandlungsdreieck von Staat, Kapital und Gewerkschaften ein und verhandelte Modelle zur Arbeitsplatzsicherung (bei größerer Flexibilisierung) und Anregung von Nachfrage, eben zentriert auf die Automobil- und Exportindustrie („Abwrackprämie“, Kurzarbeiterlösungen). Die Trennlinien zwischen Prekären und Kernbelegschaften blieben dabei unberührt. Sozialdemokratie und Grüne bildeten keine Opposition zu den (globalen) herrschenden Strategien der Krisenbearbeitung. Auch deshalb konnte DIE LINKE bei der Bundestagswahl 2009 ein gutes Ergebnis erreichen.

Die Finanzkrise wurde in den folgenden Jahren – zumindest in Deutschland – erfolgreich in eine Staatschuldenkrise umgedeutet, die angeblich durch undisziplinierte Ausgaben und letzte Widerstände gegen Privatisierung und Marktöffnung verursacht wurden. Dadurch gelang es der Bundesregierung, weite Teile der Bevölkerung an ihre Politik zu binden, Ressentiments eher gegen die Bevölkerungen anderer Staaten zu lenken und den Eindruck zu vermitteln, ihre Politik sei alternativlos. Auch das ist eine Form von Hegemonie.

Die Exportstrategie ist bislang „erfolgreich“, in dem Sinne, dass das Elend der Staaten in der Schuldenfalle noch nicht in Deutschland angekommen ist. Noch halten die Exporte. In den Gewerkschaften, deren Mitglieder im Exportsektor beschäftigt sind, vor allem in der IG Metall, wurden Erfolge in den Tarifabschlüssen verzeichnet. Die strukturelle Krise der öffentlichen und privaten Dienstleistungen – auch des Bausektors – dagegen hält an.

Die Einbindung der Gewerkschaften im Exportgeschäft in einen sozial entleerten Krisenkorporatismus, die Enteignung ihrer Forderungen wie Mindestlohn durch Akteure des neoliberalen Blocks (CDU und FDP), der Angriff auf ihre Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene – dies stellt sie vor strategische Herausforderungen. Vor allem in der IG Metall konzentrieren sich die Strategien der institutionellen Erneuerungen auf aktivierende und konfliktorientierte Methoden der Mitgliedergewinnung. Sie sind kaum mit einem Ausbau der inneren Demokratie und der Beteiligungsformen in den Organisationen verbunden und bearbeiten nicht die Spaltungen der Beschäftigten. Die politischen Rahmenbedingungen geraten nicht in den Fokus. Der Kampf wird um Tarifbindung und Standards geführt: Unternehmen um Unternehmen. Das ist im Sinne dieser Beschäftigten, und die Erfahrung gewonnener Kämpfe ist gut. Doch die Strategie ist in großen Teilen der Industriegewerkschaften fest verankert im Exportmodell Deutschland und bindet sich damit an die Europapolitik der Regierung. Indem und soweit die Verteilungsspielräume hier bestehen, ist eine gewisse Renaissance der alten Vertretungsstrukturen möglich. Viele Probleme werden abgespalten: wie die Reinigungskräfte im Niedriglohn. Bei den Dienstleistungsgewerkschaften haben Arbeitskämpfe mit auch neuen Akteuren erheblich zugenommen, ohne dass diese zu einer Politisierung in größerem Ausmaß geführt hat. Es bleibt die Erfahrung, dass partielle Interessen organisiert und repräsentiert werden; ums Ganze wird nicht gerungen.

Die Schuldenbremsen werden die Dienstleistungsgewerkschaften – nach der organisierten Entwertung der personennahen Dienstleistungen und der strukturellen Unterfinanzierung der öffentlichen Hand – weiter unter Druck setzen. Der Weg aus dieser strukturellen Schwäche ist noch nicht abzusehen.

Viele sind in Bewegung

Und doch sind viele Menschen aktiv, organisieren sich gegen steigende Mieten und Zwangsräumungen, gegen Privatisierungen, für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen in vormals als „unorganisierbar“ geltenden Bereichen, in Bewegungen gegen die extreme Rechte, Atomkraft und Castor-Transporte, für Rechte von Flüchtlingen, gegen Sexismus oder begleiten einander aufs JobCenter, damit keine_r allein zum Amt muss. Wenn wir den Blick auf Europa weiten, ist die Alternativlosigkeit, mit der sich das neoliberale Krisenmanagement präsentiert, selbst Gegenstand von Massenbewegungen geworden. „Ihr repräsentiert uns nicht“ brachte hunderttausende Menschen in Europa auf den Straßen zusammen. Fragil bleiben die Verknüpfung der Kämpfe untereinander und die Verbindung der Bewegungen mit Institutionen und Organisationen, damit in die Repräsentation und die Öffentlichkeit. So bildet sich keine Kraft heraus, die die Hegemonie der neoliberalen Krisenbearbeitung herausfordern könnte.

DIE LINKE. kann hier eine Scharnierfunktion einnehmen. Dafür muss sie sich organisatorischen und strategischen Herausforderungen stellen. Es gilt: keine Aktivierung ohne Demokratisierung. Und: nicht kurzschlüssig nach den „eigentlich“ zu repräsentierenden Bevölkerungsgruppen und Interessen fragen – beide werden auch durch linke Politik gebildet. Organisationen repräsentieren nicht einfach existierende Interessen, sie stellen das Feld der Repräsentierten aktiv her. Interessen aufzugreifen muss sich entsprechend verbinden mit Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Auseinandersetzung mit den alltäglichen Deutungen des Gegebenen. Die in der Realität und durch die Arbeitsmarktpolitik stetig reproduzierten Spaltungen in Niedriglohn und Kernbelegschaft, in Prekäre und Gesicherte müssen bearbeitet werden und gemeinsamer Grund geschaffen werden für Ziele, die beide im Blick haben.

Die Situation nach der Bundestagswahl

Die Bundestagswahl hat widersprüchliche Ergebnisse produziert: Zwar gibt es im Parlament eine – theoretische – knappe Mehrheit für rot-rot-grün, aber es gibt kein damit verbundenes konturiertes Reformprojekt. Gleichzeitig gibt es einen Schub des rechten Feldes, einerseits des modernisierten Konservatismus von Merkel, andererseits Kräfte wie die AfD, die marktliberale Positionen mit Rassismus und Ermäßigung von Demokratie verbinden. Die Formierung ist bislang auch auf konservativer Seite nicht über Merkels Projekt hinaus gelungen – die FDP ist geschwächt und die AfD versteht sich als Kritik von Merkels („Linkstrend“-) Politik. Insofern ist das konservative Feld nicht in einem gemeinsamen Block organisiert.

SPD und Grüne hatten gehofft, die LINKE aus dem Politikbetrieb zu drängen. Diese Hoffnung ist nicht aufgegangen. Die SPD konnte mit ihrer milden Wendung zu Themen der sozialen Gerechtigkeit nicht in großem Umfang Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen. Sie ist jetzt auf dem Weg in eine Große Koalition. Das wird nicht ohne Friktionen abgehen. Auch wenn der linke Flügel relativ machtlos in der Parteiführung ist, steht ein größerer Teil der Basis doch links der aktuellen Führung.

Auch den Grünen ist der – wenn auch widersprüchlich entworfene – Versuch, über die Kernthemen hinaus Kompetenz für soziale Gerechtigkeit zu reklamieren, nicht gelungen. Es wird sich in der nächsten Zeit herausstellen, inwieweit sie sich in den innerparteilichen Auseinandersetzungen mehr auf eine neue liberale, ökologische Bürgerrechtspartei mit der entsprechenden Klientelpolitik für die gehobene Mittelschicht ausrichtet. Eine solche Bewegung zur Mitte hin wird die Chancen für ein alternatives gesellschaftliches Projekt nicht verbessern.

Die Verweigerung von SPD und Grünen gegen einen tatsächlichen Politikwechsel war auch möglich, weil es keinen gesellschaftlichen Druck gab, der eine Zusammenarbeit mit der LINKEN hätte erzwingen können. Aus dieser Konstellation ergeben sich für die nächsten Jahre verschiedene Aufgaben, um die strategische Sackgasse aufzulösen und die Möglichkeiten für linke, gegenhegemoniale Politik zu verbessern: vor allem die Formierung eines gesellschaftlichen gegenhegemonialen Projekts oder Blocks; die Notwendigkeit, an einer Plattform zu arbeiten, die Druck für einen Politikwechsel entfalten kann, so dass parlamentarische Spielräume genutzt werden (müssen). Dafür muss DIE LINKE. und müssen die Linken stärker werden, breiter aufgestellt und besser verbunden mit denen, die unter der herrschenden Politik am meisten zu leiden haben und mit den anderen Kräften, die für soziale Gerechtigkeit einstehen.

Die kommenden Herausforderungen für DIE LINKE. sind (mindestens):

Die LINKE. muss ihre Basis erweitern und mehr aktive Mitglieder gewinnen: eine aktive Mitgliederpartei

Dies betrifft einerseits Menschen, die „aus der Repräsentation gefallen sind“: diejenigen, die besonders von der Ausgrenzungspolitik der Agenda 2010 betroffen sind: Menschen im Niedriglohnbereich, Prekäre, Armutsgefährdete. Sie sind in den letzten Jahren systematisch von der Teilnahme an Wahlen entmutigt worden. Auch die verbal soziale Politik von SPD und Grünen hat sie nicht im Blick. Und es betrifft andererseits die vielen Beschäftigten, die in den Mühlen der neuen Arbeitsregime spüren, dass es so nicht weitergehen kann: mit dem Stress von erhöhter Bandgeschwindigkeit und flexiblen Schichtsystemen, in der prekären Selbständigkeit, in der Aushöhlung der öffentlichen Infrastruktur und sozialen Dienstleistungen. Weil Viele sich von der Politik abgewandt haben, müssen hier (auch) neue Formen von Kommunikation und Kooperation gefunden werden. Von hier aus ergeben sich neue Anforderungen an Strategie, Kampagnenbildung und Kommunikation. Die Aufgabe der LINKEN ist auch, die Interessen dieser Gruppen so aufzugreifen, dass gemeinsame Ziele und eine gemeinsame politische Praxis entwickelt und so die gesellschaftlichen Spaltungen und Entmächtigungen bearbeitet werden können.

Diese Entwicklung muss gleichzeitig mit neuen Formen der Aneignung der Partei durch die Mitglieder einhergehen. DIE LINKE. versteht sich als aktive Mitgliederpartei; dieser Anspruch ist neu zu füllen und zu fassen.

Politikwechsel erfordert einen Kampf um andere Hegemonien

Dieses Verständnis muss verbunden werden mit einer besseren Verankerung der LINKEN in der Gesellschaft, in den Gewerkschaften, in Bewegungen, mit einer aktiveren Bündnispolitik, die sich aus der Perspektive von außen und innen löst und stärker die Perspektive einer gesellschaftlichen Linken einnimmt.

Wir hatten im Wahlkampf für einen Politikwechsel geworben. Dass er nicht gelungen ist, hängt einerseits damit zusammen, dass SPD und Grüne sich dem entzogen haben. Dies war auch möglich, weil es keinen Druck aus der Zivilgesellschaft gab. Viele Forderungen sind an die Parteien herangetragen worden, viele hatten weite Überschneidungen mit dem Programm der LINKEN: Gewerkschaften, Sozialverbänden, NGOs im Bereich Soziales, Demokratie, Ökologie, Frieden. Doch Programme allein – auch wenn sie übereinstimmen – verschieben keine Kräfteverhältnisse. An einer solchen Verschiebung muss aktiv, vernetzend gearbeitet werden, Gegenkräfte müssen herausgebildet und organisiert werden. Damit bei der nächsten Möglichkeit ein Politikwechsel nicht einfach ausgeschlossen werden kann und gleichzeitig der Gefahr entgegen gewirkt wird, dass ein möglicher Regierungswechsel wieder (wie 1998ff) statt in einer Wende zu mehr sozialer Gerechtigkeit in einem Modernisierungsprojekt für den Neoliberalismus endet. Die Wende von Kohl zu einer rot-grünen Reformregierung mündete darin, die Lebensverhältnisse von Millionen Menschen zu verschlechtern statt zu verbessern. Das hat linke Alternativen auf Jahre hin beschädigt. Unsere Verantwortung ist groß, nicht mit einem weiteren Fehlversuch zur Zementierung von Herrschaftsverhältnissen beizutragen.

Strategischer Anker für eine Transformationsperspektive

Diese organisatorischen Neuerungen müssen wir mit einer strategischen Erneuerung verbinden. In der kommenden Legislatur werden die Agenda-Beschlüsse über zehn Jahre zurückliegen. DIE LINKE. braucht einen strategischen Anker, der nicht nur nach hinten weisen darf, auf die Zeit als die Kompromisse noch gegolten haben. Immer weniger Menschen teilen das kollektive Gedächtnis, an das wir darin appellieren. Die Ansprüche und Rechte geben wir nicht preis, aber wir brauchen eine nach vorne weisende Perspektive, um sie (neu) zu formulieren.

Eine Transformationsstrategie, die schon beim Losgehen weiß, wo der Weg enden wird, ist problematisch – wir wissen es gut aus der linken Geschichte. Doch ohne eine weitergehende Perspektive werden die alltäglichen Auseinandersetzungen schnell zum Hamsterrad; es drohen Maßstabsverschiebungen und Anpassung. Wir brauchen die Vorstellung einer Transformation, in der die Ansprüche auf grundlegende Veränderung der Gesellschaft, Überwindung des Kapitalismus, und konkrete Projekte, die im Gegebenen ansetzen und darüber hinaus wirken sollen, nicht gegeneinander gestellt werden.

Dabei fangen wir nicht ganz neu an, vieles ist in den letzten Jahren diskutiert worden: Wir haben über die Bedeutung der Kämpfe um Zeit, über einen „Plan B“ für die sozial-ökologische Transformation diskutiert, Konzepte von Öffentlicher Beschäftigung, von Wirtschaftsdemokratie und Umverteilung und andere Einstiegsprojekte in Richtung auf eine demokratische Gesellschaft jenseits des Kapitalismus wurden entwickelt. Doch eine gemeinsame strategische Orientierung für die LINKE kann nur Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung von Debatte sein, in die möglichst weite Teile der Partei einbezogen sind. Zu diesem Gespräch wollen wir einen neuen Anlauf machen.

Organisation – Organisieren – Organizing

Kritische Bestandsaufnahme

Der schnelle Zuspruch von Wählerinnen und Wählern 2005 und 2009 ging für uns nicht in vergleichbarem Maße mit einer Verbreiterung der Basis einher. Für linke Parteien ist die Basis wichtiger ist als für bürgerliche: Linke Parteien sind nicht nur Wahlvereine, ihre Mitglieder sind „Aktivposten“ für die alltägliche Veränderung der Kräfteverhältnisse, der Gesellschaft. Wir sehen uns nicht als bloße Stellvertreter_innen, als diejenigen, die es am besten wissen und daher im Parlament die richtigen Positionen einbringen. Eine Transformation der Gesellschaft, eine Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse lässt sich nur gemeinsam mit vielen Menschen und aktiv auf verschiedenen Ebenen erreichen. Wir wissen, dass die gesellschaftliche Macht nicht aufs Parlament beschränkt ist. Dort drücken sich Kräfteverhältnisse aus, die in der Gesellschaft bestehen, die Stärke der Unternehmen, wirtschaftliche und Kapitalinteressen wie die der Gegenkräfte. Diese Gegenkräfte können aus dem Parlament heraus behindert oder unterstützt werden, sie können jedoch nicht aus dem Parlament heraus geschaffen werden. Deshalb sind LINKE und DIE LINKE an vielen Orten aktiv und arbeiten daran, diese Gegenkräfte zu bilden: in Betrieben und Gewerkschaften, Bewegungen und Vereinen, in den Auseinandersetzungen im Alltag präsent und verbunden mit anderen Akteurinnen und Akteuren. Erst wo es Druck, Bewegung und Gegenwehr gibt, steigen auch die Gestaltungsmöglichkeiten im Parlament. Von der Stärke unserer Basis hängt also viel ab.

Das Bild in aller Grobheit und Unschärfe aus der Höhe betrachtet: Es gelingt insgesamt zu wenig, Menschen zwischen 20 und 40 Jahren zu gewinnen und zu binden. Die Partei ermutigt trotz der formalen Quoten zu wenige Frauen zur Mitarbeit und dazu, sich die Partei zu eigen zu machen. In der Fläche hat die Landkarte der LINKEN viele weiße Flecken, in denen die alltägliche Parteiarbeit die wenigen, meist ungeheuer fleißigen Mitglieder an die Grenze des Leistbaren bringt.

Wir werden mit einer Bestandsaufnahme der Situation in Ost und West und einer systematischen Auswertung der Konzepte und Projekte beginnen, die bereits entwickelt wurden. Zu dieser Auswertung gehört auch eine kritische Bestandsaufnahme der Bildungs- und Professionalisierungswege innerhalb der Partei. DIE LINKE hat eine lebendige Tradition und Praxis der Zusammenarbeit von Basis, Ehrenamt und Funktionärinnen und Funktionären. Dennoch sind gerade die Zusammenarbeit mit „Neuen“ und die Übergänge in gewählte Positionen Punkte, an denen es immer wieder zu Reibungen kommt.

Nicht alle Probleme sind in Ost und West gleich, allerdings auch nicht alle unterschiedlich. Die Altersstruktur in vielen Basisorganisationen macht Jung- und Neu-Mitgliedern vielfach den Einstieg schwer. Bisweilen ist es ein Teufelskreis: gerade die Bereiche und Organisationen, die dringend auf Unterstützung angewiesen wären, sind relativ unattraktiv für neue Leute. Unser Mentoring-Programm ist ein Ansatz, um dies zu bearbeiten, verschiedene Landesverbände haben eigene Konzepte und Projekte entwickelt.

Die Vielfalt unsere Mitglieder, die Unterschiede – in Kulturen, Generationen, Erfahrungen, Perspektiven auf die Welt – sind ein hohes Gut der LINKEN. Bisweilen finden sich dieselben Mosaiksteinchen wie in der gesellschaftlichen Linken – und in der Zusammenarbeit ähnliche Friktionen. Unsere Probleme in der Entwicklung gemeinsamer Strategien und Perspektiven sind also nicht nur unsere. In der gesellschaftlichen Linken wie in der LINKEN müssen wir Lösungen vermeiden, die auf Trennung und Homogenisierungen hinauslaufen. Hier wird es sicher weitere Diskussionen und Konzepte zu entwickeln geben.

Funktion einer demokratisch-sozialistischen Partei

Wenn wir den Parteiaufbau weiterentwickeln wollen, ist zuerst die Frage zu klären, welche Aufgaben DIE LINKE im Unterschied zu bürgerlichen Parteien oder auch im Unterschied zur sozialdemokratischen Partei in unserer Gesellschaft hat. Bürgerliche Parteien müssen dafür sorgen, dass die Interessen unterschiedlicher Fraktionen des Kapitals Eingang in die Regierungspolitik und den Staat finden, dass diese Interessen formuliert und verallgemeinert und im Wettbewerb abgeglichen werden. Sie helfen so die Reproduktionsmöglichkeiten des Kapitals zu sichern. Ihre gesellschaftliche Machtbasis liegt nicht notwendigerweise in ihren Mitgliedern. Sie haben die Aufgabe, Loyalitäten zur kapitalistischen Gesellschaft zu sichern bzw. immer wieder neu herzustellen. Je nach Charakter als Volkspartei (CDU) oder Klientelpartei (FDP) müssen sie dafür immer wieder Positionen finden, die diese Interessen mit denen der eigenen Mitglieder und Wähler_innen in Einklang bringen. Sie versuchen, in die soziale Basis „anderer“ Parteien vorzudringen, also Wähler_innen für ihr Projekt gewinnen, die davon tatsächlich wenig haben.

Für die sozialdemokratische Partei ist es ein weitaus größerer Spagat. Ihre Basis erwartet in der Regel ein deutlich sozialeres Profil. Weite Teile der Anhänger_innen und Mitglieder der SPD hoffen, der vor-neoliberale Zustand könne wieder erreicht werden, wenn die Führung nur wieder auf den rechten Weg zurückfinde. Sie verbinden mit der SPD teilweise Hoffnungen auf sozialen Aufstieg, zumindest keinen Abstieg. Gleichzeitig muss die SPD diese Erwartungen mit den permanenten Anpassungsprozessen an die ökonomischen Interessen des Kapitals vermitteln. Die rein verbale Linkswende hat ihr im Wahlkampf wenig genutzt: Zu dringlich wollte sie in die Regierung, zu schnell hat sie zurückgerudert und zu wenig entschlossen hat sie sich von den Fehlern der Vergangenheit verabschiedet. Wir werden sehen, ob daraus eine wirkliche Neuorientierung erwächst. Die Große Koalition lässt es nicht erwarten.

DIE LINKE hat dagegen eine andere politische Funktion. Sie ist besonders denen verpflichtet, die nur ihre Arbeitskraft als Ware haben oder die vom System der Verwertung ausgespuckt wurden und deren Interessen und Ansprüche laufend zur Disposition gestellt werden. Zwar muss sie zeigen, dass ihre Politikvorschläge auch heute schon machbar sind, gleichzeitig gehört es gerade zu ihren Aufgaben, deutlich zu machen, dass viele Probleme ihre Wurzeln in der kapitalistischen Produktionsweise haben. Schon deshalb kann der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte und nicht der Maßstab linker Politik sein. DIE LINKE verbindet deshalb ihre Positionen zur Verbesserung des Alltags, hier und jetzt, mit Elementen der Transformation zum demokratischen Sozialismus.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse können nicht nur im Überbau, in den Parlamenten geändert werden, sondern wesentlich an der ökonomischen und sozialen Basis der Gesellschaft. DIE LINKE will die politischen Verhältnisse nach links verschieben und die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft verändern, zu Gunsten von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Bürgerinitiativen, Selbsthilfeorganisationen, usw. Sie geht dabei grundsätzlich von einem emanzipatorischen Verständnis aus, das auf die Selbstorganisation, Bewegung und Tätigkeit der Menschen selbst setzt. Die Partei DIE LINKE sieht sich so nicht als Stellvertreterpartei, sondern als Organisation, die den Menschen in ihren Kämpfen und Auseinandersetzungen für soziale, demokratische, ökologische Rechte und Forderungen nützlich ist.

Parteien sind auch Ausdruck gesellschaftlicher Bewegungen und Auseinandersetzungen. Gerade linke Parteien sind in besonderem Maße geprägt durch den Einfluss sozialer und demokratischer Bewegungen und durch die konkreten Klassenauseinandersetzungen ihrer Zeit. Die Erfahrungen der Akteur_innen in diesen Auseinandersetzungen fließen als kollektive Erfahrung in die Arbeit der Partei ein. Gleichzeitig ist die Partei aber nicht nur Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, Bewegungen und Kämpfe, sondern sie ist auch eine organisierte und organisierende Kraft. Sie baut eine feste, in der Gesellschaft verankerte Struktur auf, die sie in die Lage versetzt, die politischen und ideologischen Auseinandersetzungen mit den sozialen Widersprüchen und daraus resultierenden Bewegungen zu verbinden.

Um eine andere Hegemonie kämpfen

Hegemonie ist Macht, die auf Zustimmung basiert (auch auf mangelnden Alternativen). Sie entsteht nicht vorrangig im Parlament, sie wächst in der Produktion, Wirtschaft, Kultur, in Medien, der Öffentlichkeit und dem Vereinswesen, den alltäglichen Lebensweisen. Sie erwächst aus der Deutungshoheit über die gesellschaftlichen Verhältnisse und über das alltägliche Empfinden, was angemessen und legitim ist. Hegemonie heißt auch, Meinungsführerschaft in Fragen ökonomischer und politischer Ziele sowie der moralischen Wertevorstellungen zu entwickeln. Einige Male ist es der LINKEN in ihrer kurzen Geschichte gelungen, im Bündnis mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, hegemoniefähige Vorschläge zu machen, und führend zu vertreten (führend in dem Sinne, dass Vorschläge gemacht wurden, die attraktiv waren und wirkmächtig wurden). So gibt es in Kernpunkten linker Ziele, beim Mindestlohn, bei der Rente, bei der prekären Arbeit, der Friedensfrage und der Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums eine Mehrheit in der Gesellschaft, die diesen Zielen zustimmt. Das drückt sich unter anderem darin aus, dass Teile der anderen politischen Parteien zumindest Teilelemente dieser Ziele in ihre eigene Programmatik beziehungsweise politische Zielsetzungen übernehmen müssen. Um diese Ziele jedoch teilweise oder ganz durchsetzen zu können, bedarf es einer Änderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Denn die Mehrheit in den Meinungsumfragen ist noch keine Hegemonie. Zur Aufgabe der linken Partei gehört entsprechend, daran zu arbeiten, dass die Mehrheitspositionen auch hegemonial werden können. Das geschieht durch soziale und politische Kämpfe und Auseinandersetzungen. Politische Hegemonie oder Gegen-Hegemonie baut nicht nur auf Ideen, sondern auf die Praxis – jede kollektive Praxis ist auch symbolisch.

Aufgaben einer linken Partei heute

Antonio Gramsci nennt drei Aufgaben für eine linke Partei: Erstens muss sie eine eigene Weltanschauung transportieren, zweitens Bündnispolitik betreiben, um Mehrheiten gegen die kapitalistische Ordnung zu mobilisieren, und drittens eigene organische Intellektuelle ausbilden, also Multiplikator_innen, die in der Lage sind, organisierend zu wirken und die Lebenswirklichkeit der Leute mit politischen Argumenten zu verbinden. Ganz sicher steht DIE LINKE in einem anderen historischen Kontext als demjenigen, in dem Gramsci seine Vorstellungen für eine revolutionäre Partei entwickelt hat. Aber: seine Frage, wie sich Hegemonie und Gegenhegemonie herausbilden, ist für uns von großer Bedeutung.

Eine linke Partei hat u.E. heute mindestens die folgenden Aufgaben:

1. Sie muss sich in der Gesellschaft und in zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen verankern.

2. Sie soll in der Lage sein, im Bündnis mit Anderen politische Auseinandersetzungen zu führen und in den sozialen und politischen Kämpfen eine Rolle zu spielen.

3. Die Partei muss eine Struktur haben, die sie befähigt, Wahlen zu organisieren und die Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler und die von ihr repräsentierten Gruppen in den Parlamenten zu vertreten. Dazu gehört auch, Sprachrohr der sozialen Bewegungen in den Parlamenten zu sein. Sie muss sich als demokratisches Geflecht und als Apparat aufbauen. Dabei ist auch das Verhältnis von Partei und ihrer Fraktion zu klären.

4. Sie hat die Aufgabe, politische Orientierung zu geben und im positiven Sinne aufklärerisch zu wirken.

5. Sie sollte in der Lage sein, zu den aktuellen Fragen und politischen Auseinandersetzungen Stellung zu beziehen und eine in sich schlüssige Position einzunehmen.

6. Sie kann einen soziokulturellen Rahmen bieten und kulturelle Lebensräume aufbauen.

7. Sie kann emanzipatorische politische und kulturelle Ausdrucksformen entwickeln, die über den Horizont der bürgerlichen Kultur hinausgehen.

8. DIE LINKE agiert international in Zusammenarbeit mit den anderen Linksparteien. Internationalismus bedeutet aber mehr als Austausch diplomatischer Noten und Besuche, sondern die Entwicklung konkreter politischer Projekte.

Im Einzelnen:

1. Verankerung in der Gesellschaft und in zivilgesellschaftlichen Organisationen

Verankerung in den Kommunen

Parteien verankern sich in der Gesellschaft auf unterschiedliche Art und Weise. Große Bedeutung hat die Verankerung in Kommunalparlamenten und in der Kommunalpolitik. Die Kommune bildet einen wesentlichen Lebensmittelpunkt der Menschen, in dem sich konkrete Interessen des sozialen und politischen Zusammenlebens artikulieren. Zugleich spiegeln sich in der Kommune gesellschaftliche Fragen und Auseinandersetzungen im Lebensalltag wieder. So führt z.B. die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen durch die Steuer- und Abgabenpolitik der letzten Bundesregierung zu einem für viele Menschen erfahrbaren Defizit in der öffentlichen Daseinsvorsorge und der demokratischen Entscheidungsfähigkeit der gewählten Kommunalparlamente. Das ist eine wesentliche Ursache dafür, dass sich mehr örtliche Initiativen und Protestbewegungen bilden, die ihre Interessen nach einer besseren öffentlichen Daseinsvorsorge zum Ausdruck bringen – von der Protestbewegung gegen Stuttgart 21, über Elternproteste für mehr Kindertagesstätten und bessere Bezahlung der Erzieher_innen bis zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gegen die Privatisierung von Krankenhäusern oder für die Rekommunalisierung der Wasser- und Energieversorgung. Linke Politik kann neben der Vertretung von kommunalen Alltagsinteressen in diesen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle spielen. So können Linke selbst Motor und Akteur_innen der Bürgerinitiativen und Protestbewegungen sein. Gleichzeitig können die gewählten Kommunalvertreter_innen diese Positionen in die Stadt- und Gemeinderäte einbringen. In den Auseinandersetzungen wächst das Wissen um die Zusammenhänge zum Beispiel bundesweiter steuerpolitischer Entscheidungen und den konkreten Lebensbedingungen in den Kommunen. Lebendige Kommunalpolitik und das Zusammenspiel zwischen außerparlamentarischer und parlamentarischer Arbeit bildet eine wichtige Basis für die gesellschaftliche Verankerung der Linken. Diese Prinzipien können auch für die Landespolitik und die Vertretung der Linken in Landesparlamenten formuliert werden. Wie im Bundestagswahlprogramm ausgeführt, bekommen regionale Strukturpolitik und sozial-ökologischer Umbau eine zunehmend wichtige Bedeutung in der politischen Auseinandersetzung der nächsten Jahre, ebenso Mieten, Wohnen und Energiepreise. Wir brauchen hier eine gezielte Auswertung und koordinierte Entwicklung von Strategien: Was sind Einstiegsprojekte, was sind unsere Transformationsvorstellungen? Was hat sich bewährt, was ist misslungen und wird nicht weiter verfolgt, was lässt sich verallgemeinern.(2)

Verankerung in den Gewerkschaften

Für DIE LINKE sind Gewerkschaften ein wichtiger Bündnispartner. In Gewerkschaften schließen sich die Beschäftigten zusammen, damit sie ihre Interessen gegenüber dem Kapital besser vertreten können. Die Betriebe haben in den lokalen Kräfteverhältnissen eine große Bedeutung. LINKE sollten dort verankert sein, auch in der Unterstützung von Arbeitskämpfen. Besonders im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge sollten die Überschneidungsfelder von Kämpfen der Beschäftigten und LINKEN Konzepten groß sein. Diese „wirken“ aber nicht von allein, sondern müssen in konkrete Kooperationen münden, so dass gemeinsame Erfahrungen in Auseinandersetzungen gemacht werden können.

In dem beschriebenen Feld der widersprüchlichen Strategien der deutschen Gewerkschaften ist DIE LINKE ein solidarischer Partner für die demokratische Erneuerung der Gewerkschaften. Unser Verhältnis ist doppelt: Wir wissen, dass Gewerkschaften die Voraussetzung sind, um die Rechte der Beschäftigten zu stärken, durchzusetzen und zu erweitern. Auch in den Gewerkschaften wird um unterschiedliche Strategien gerungen. Wir sind darin nicht selbstverständlich auf der Seite der Vorstände und offiziellen Verlautbarungen: Wir stehen innerhalb der Gewerkschaften auf Seiten derer, die die Spaltungen von Prekären und Kernbelegschaften bekämpfen, die keinen Frieden mit dem Niedriglohn machen, die an den Perspektiven internationaler Solidarität festhalten und sich dem Standortwettbewerb entgegenstellen und die an Alternativen zur Rüstungsindustrie arbeiten wollen. Es ist schwierig, die Interessen der Menschen im konkreten Betrieb zu vertreten, und die Interessen der Beschäftigten der Konkurrenz und die Erwerbslosen nicht aus dem Blick zu verlieren. Das ist so für Gewerkschaftsfunktionär_innen und Betriebsrät_innen wie für LINKE Aktivist_innen.

Bei der Bundestagswahl hat sich gezeigt, dass die Verankerung der LINKEN in den Gewerkschaften nachgelassen hat – zumindest bei den männlichen Gewerkschaftern. Das Versprechen der Bundesregierung auf einen Export-Pakt zur Stärkung „der Wirtschaft“ hat Zuspruch gefunden, wie auch die SPD mit Versprechungen, die voraussichtlich nicht gehalten werden. Bei weiblichen Gewerkschafterinnen hat DIE LINKE zugelegt (doch auch hier ist die CDU stärker geworden). In den „frauenspezifischen“ Berufen haben sich in den letzten Jahren viele Beschäftigte politisiert, sind Konfrontationen eingegangen, obwohl sie als „unorganisierbar“ galten. Arbeitskämpfe haben deutlich zugenommen. DIE LINKE ist hier besser verankert und die akzentuierten Forderungen, die sich stärker gegen Armutssicherung bzw. gegen das Regime der „working poor“ richten, treffen hier auf Resonanz. Positionen, Forderungen, eine Plattform, die beide Interessengruppen verbinden könnten, Prekäre und Kernbelegschaften, sind seit der Agenda 2010 nicht gefunden. Wir wollen hier vorankommen, zusammen mit Aktiven der Gewerkschaften und Beschäftigten.

2. DIE LINKE soll in der Lage sein, im Bündnis mit Anderen politische Auseinandersetzungen zu führen und in den sozialen und politischen Kämpfen eine Rolle zu spielen.

Durch die zivilgesellschaftlichen Organisationen gehen vielfach dieselben Fragen und Spaltungslinien: Die Spaltung in Prekäre und Kernbelegschaft, die kulturellen Hürden gemeinsamer politischer Arbeit.

Die Rede vom „linken Mosaik“, die im Anschluss an Hans-Jürgen Urban in den letzten Jahren eine Rolle in den Strategie-Diskussionen der Linken und LINKEN gespielt hat, weist auf das komplexe kulturelle und politische Geflecht der Gegenkräfte gegen den neoliberalen Kapitalismus hin. Gleichzeitig hat die Metapher Schwächen: Die Arbeit scheint schon getan, das Bild schon fertig. Damit aus der fragmentierten gesellschaftlichen Linken ein Bild entstehen kann, müssen mehr Kristallisationspunkte für gemeinsame Handlungsfähigkeit gefunden werden. Die Bezüge zu universellen und transformatorischen Perspektiven müssen deutlicher werden; dann können die vielen Auseinandersetzungen als Teil einer gesellschaftlichen Strömung wirksam werden. DIE LINKE ist von ihrer Funktion und Organisation geeignet – oder muss es werden – diese Kristallisationspunkte wie transformatorische Perspektiven zu entwickeln und um mögliche gemeinsame Perspektiven und Verallgemeinerungen zu ringen. Dafür muss sie eine aktive Rolle in diesen Auseinandersetzungen spielen, die andere Organisationen nicht als Konkurrenz oder äußerlich verstehen, sondern als Teil einer gemeinsamen gesellschaftlichen Strömung. In Italien ist das in den letzten Jahren die „verbindende Partei“ genannt worden: mit Anschlüssen zu sozialen Bewegungen, NGOs, Gewerkschaften und als aktive Herstellung von Verbindungen zwischen den Akteuren. Die Verbindungen müssen dabei auf verschiedenen Ebenen wachsen: zu allererst unten, an der Basis.

3. Die Partei muss eine Struktur festigen oder aufbauen, die sie befähigt, Wahlen zu organisieren und die Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler und die von ihr repräsentierten Gruppen in den Parlamenten zu vertreten. Dazu gehört, Sprachrohr der sozialen Bewegungen in den Parlamenten zu sein und gleichzeitig organisierend vor Ort zu wirken.

Das betrifft die Stärkung der eigenen Basis und die stärkere Eingelassenheit der Basis wie der gesamten Partei in gesellschaftliche Bündnisse. In vielen, vor allem Flächenländern müssen wir die Verankerung stärken. Unsere Mitglieder leisten oft eine riesige Arbeit – trotzdem haben wir mit strukturellen Schwächen zu kämpfen.

Pilotprojekte von Organizing

Vorbehaltlich einer systematischen Auswertung haben wir aus unserer eigenen Kenntnis der Partei den Eindruck, dass die Momente der Organisation, der Struktur, bis in kleinere Einheiten solche des Organisierens, der tätigen Verbindung und Aktivierung, überwiegen. Hier möchten wir einen Wandel einleiten.

DIE LINKE braucht und hat eine feste Struktur; sie ist nach ihrer Satzung verfasst. Wir messen dem eine hohe Bedeutung zu: Sie ist das Rückgrat der innerparteilichen Demokratie. Diese feste Struktur sichert das Bestehen der Partei auch in prekären Zeiten und eventuellen schlechten Wahlergebnissen. Und die Strukturen werden von vielen aktiven Mitgliedern mit Leben gefüllt. Darüber hinaus wollen wir Vorschläge machen, wie sich die oben skizzierten Aufgaben der LINKEN organisatorisch besser umsetzen lassen. Zentral scheint uns, die Aufgaben der Projekt- und Kampagnenentwicklung, -durchführung und -begleitung, Mitgliedergewinnung und Bündnisarbeit organisatorisch abzusichern. Das kann durch Beauftragte geschehen oder durch (Teilzeit-) Hauptamtliche. Dabei müssen wir als Partei aus dem Teufelskreis herauskommen, dass schwache Verbände nur wenig Kräfte in Mitgliedergewinnung stecken können und Übergangsregelungen finden, die hier einen Ausgleich schaffen. Hier werden wir Konzepte und Pilotprojekte entwickeln für die Gewinnung und Ausbildung von Organizern, Multiplikator_innen und Ehrenamtlichen, die Basisorganisationen aufbauen und Kampagnen leiten können.

Verhältnis von Partei und Fraktion

Das Parlament ist eine Institution mit viel Prestige, seine Mitglieder verfügen über finanzielle Mittel, Zugang zu Informationen und zur Öffentlichkeit. Es ist gilt als Normalzustand in der Parteientheorie, dass die „office-holders“, also die gewählten Abgeordneten oder Minister_innen – einen großen Einfluss auf die Politik einer Partei haben. Zwar sollte ihre Politik aus dem Programm folgen, tatsächlich wird es oft pragmatisch anders herum gehandhabt: Das Programm folgt mehr aus der Politik der „office-holders“. So sind die Probleme der innerparteilichen Demokratie zwar größer – denn das Programm gibt sich die Partei über ihre demokratischen Strukturen. Die Spannungen und Konflikte darum, was eine Partei ausmacht, wofür sie in der Öffentlichkeit steht, sind aber geringer. Diese Erfahrung wiederholt sich auch in der LINKEN. Die Arbeit im Parlament folgt – auch – anderen Logiken als die politisch-strategische Planung der Partei. Beide haben ihre Berechtigung, doch gerade mit einer stärkeren und vielfältigen LINKEN, in der viele Felder von mehreren Fachleuten vertreten werden, steigt die Bedeutung der politischen Gestaltung. Die innerparteiliche Demokratie hat fast ausschließlich Einfluss auf die Gremien der Partei. Hier können die Leitlinien der Politik verhandelt werden. Wir wollen sie stärken und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit den Fraktionen intensivieren. Dies geschieht unter anderem durch

  • Verstärkung der strategisch-politischen Planung und gemeinsamen Diskussion auch in den Fraktionssitzungen.
  • Stärkung der „Fraktion vor Ort“. Bessere Nutzung der Strukturen für die Entwicklung von regionalen Kampagnen-Plänen.
  • Die Gesprächsrunden zu strategischen und konzeptionellen Fragen, die wir etwa zur Vorbereitung der Europawahl begonnen haben, werden wir verstärken.

4. DIE LINKE hat die Aufgabe, politische Orientierung zu geben und im positiven Sinne aufklärerisch zu wirken.

Dabei kann es nicht darum gehen, dass DIE LINKE den Leuten sagt, was sie denken sollen, vielmehr: Wir wollen Angebote machen und argumentativ dafür werben, in denen Alltagserfahrungen, Unzufriedenheit, die Wünsche nach Sicherheit und Veränderung zusammenfließen können. Ein Bild von der Welt erarbeiten sich die Menschen nicht nur vorm Fernsehen oder aus Schulbüchern. Spätestens seit der Agenda 2010 hat sich in bedrohlichem Ausmaß die Einschätzung verbreitet, dass Wählen, politisches Engagement, das für Alternativen kämpft, vergeblich sind. Dass SPD und Grüne auf einen neoliberalen Kurs eingeschwenkt sind, dass große Teile der Gewerkschaften damals dagegen kaum grundsätzliche Einwände formulierten, sättigt diese Einschätzungen mit materiellen Erfahrungen. Sie sind nicht wegzudiskutieren. DIE LINKE nimmt hier keine paternalistische oder blaming-the-victim-Haltung ein, keine Verkehrung von Täter und Opfer. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, in welchem Ausmaß der demokratische Kapitalismus bereit ist, Leiden und Unzufriedenheit der Menschen in Kauf zu nehmen. Der Verweis auf die „marktkonforme Demokratie“ von Merkel war symptomatisch. Es ist nur zu verständlich, wenn der Eindruck entsteht, „die Politik“ hat ihnen nichts zu bieten. Es ist dies die subjektive Seite der „marktkonformen“ Demokratie, die sich gegen die Lebensansprüche von immer mehr Menschen imprägniert. DIE LINKE muss ihren Gebrauchswert dagegen konkret und immer wieder aufs Neue beweisen. Sie steht dabei an der Seite der Menschen, nicht auf der Kanzel über ihnen. Zusammenhänge können wir nicht nur behaupten, sie müssen auch Gegenstand von Diskussions- und Bildungsprozessen sein, in denen es den Leuten möglich wird, ihre eigenen Verallgemeinerungen zu schaffen. Die Erfahrungen können sich ändern – im Zusammenhang verändernder Praxis.

Es bedarf einer zweifachen Entwicklung: Die LINKE muss in diesem Sinne stärker in intellektuellen Diskussionen eingebettet sein. Nicht um einen abstrakten Kampf der Weltanschauungen oder Theoriearbeit zu leisten. Hierfür gibt es andere gesellschaftliche Orte, die zu unterstützen und zu sichern Teil LINKER Politik sein muss. In der Partei und aus der Partei heraus müssen wir aber dazu kommen, einen kollektiven analytischen Prozess zu organisieren: eine Verständigung, die über den Schlagabtausch von Änderungsanträgen auf Parteitagen hinausgeht. Die Notwendigkeit stellt sich auf allen Ebenen der Partei: im Parteivorstand, in der Geschäftsstelle, in der Fraktion wie auf den verschiedenen regionalen und Landes-Ebenen – und zwischen ihnen. Ein Ziel dieser Prozesse muss auch die „Verallgemeinerung von Intellektualität“ sein. Wenn eine Partei in verschiedenen Parlamenten vertreten ist und dort viele Fachreferent_innen arbeiten, finden Professionalisierungsprozesse statt. Viele wissen vieles besser. Gleichzeitig sind wir darauf angewiesen, dass unsere Mitglieder an vielen Orten „organische Intellektuelle“ im Sinne Gramscis sind: Das bedeutet, sie verbinden unsere Politik mit den Gegebenheiten vor Ort, „übersetzen“ unsere Ziele und Forderungen in Praxis, Gespräche, Zusammenarbeit mit anderen. Das kann nur gelingen, wenn die Auseinandersetzung um, Vermittlung von und die gemeinsame Arbeit an unseren Positionen breit in der Partei verankert ist und nicht nur die Arbeit weniger Spezialist_innen. Unsere Bildungsarbeit hat hier viel Pionierarbeit geleistet, wir wollen das weiter ausbauen und Konzepte weiterentwickeln.

  • Dazu gehört ein lebendiger Diskurs mit dem „intellektuellen Feld“. Wir haben diesen Prozess im Sommer angestoßen, jetzt wollen wir ihn systematisieren, ausweiten und verallgemeinern. Im Mittelpunkt stehen mindestens zwei Fragen: Wie arbeiten wir in einer gesellschaftlichen Situation, die ihre Stabilität aus der Fragmentierung von Interessen bezieht, an der Verbindung von einzelnen Projekten mit universellen Perspektiven? Wie überwinden wir den privilegierten Diskurs mit uns selbst? Wie erweitern wir den Kreis? Welche neuen Formen des Gesprächs, des Austauschs, der Kultur sind geeignet, die Isolation und Selbstisolation des Politischen zu überwinden und Interesse an Beteiligung und gemeinsamer Auseinandersetzung zu gründen?
  • Wir müssen auch innerparteiliche Medien schaffen, die diesen Prozess erleichtern. Die offenen Blogs aus dem Anfang der Legislatur der Vorsitzenden und zur Begleitung des Bundestagswahlprogramms waren erste Ansätze, die aber dringend zu ernsthaften Kommunikationsformen ausgearbeitet und weiterentwickelt werden müssen. Auch das Thema Parteiaufbau sollte breit in der Partei diskutiert werden, z.B. in einem offenen Blog, in breit angelegten Massentelefonkonferenzen oder in Kreativ-Workshops.

5. Sie sollte in der Lage sein, zu den aktuellen Fragen und politischen Auseinandersetzungen Stellung zu beziehen und eine in sich schlüssige Position einzunehmen.

Das betrifft inhaltliche Kompetenzen und die Fähigkeit, sie in der Öffentlichkeit zu verankern. Wenn es gelingt, immer wieder Kristallisationspunkte von Auseinandersetzung zu schaffen und diese als Kette zu entwickeln – in der sich das eine aus dem anderen nicht logisch ergibt, sondern der Zusammenhang erarbeitet und plausibel gemacht wird – dann wird ein Transformationspfad erkennbar. „Dadurch wird nicht schon der Krieg gewonnen, aber er wird gewinnbar.“ (Michael Jäger) Neben der schnellen und schlüssigen Entwicklung von Positionen ist zentral, dass diese verbreitet, wahrnehmbar werden. Dies geschieht einerseits durch die hergebrachten Formen: Pressearbeit, Konferenzen, Positionspapiere, Flyer und Newsletter. Darüber hinaus sind unsere Formen der Öffentlichkeitsarbeit einer kritischen Analyse zu unterziehen. Lassen sich neue Formate finden, nutzen wir das Internet in seinen Möglichkeiten, lässt sich eine neue Sprache finden?

6. Sie kann einen soziokulturellen Rahmen bieten und kulturelle Lebensräume aufbauen.

Die Verankerung der LINKEN in sozialen und kulturellen Milieus ist keine Einbahnstraße. Dabei geht es auch darum, Ansätze von gegenhegemonialer Alltagskultur und Möglichkeiten von Begegnung, Diskussion und Auseinandersetzung zu befördern. Wir brauchen neue Formen oder müssen bewährte Formen neu beleben: ein selbstorganisiertes Stadtteilkino; public viewing von politischen Dokumentationen, offene Abgeordnetenbüros, die ihre Ressourcen auch in den Dienst von Selbstorganisierung stellen, Unterstützung von linker Jugendkultur; Besuch der Jobcenter und Einladung an die wartenden Menschen, ihre Erfahrungen zu dokumentieren; Einladung zu offenen Gesprächsveranstaltungen, auf denen Erfahrungen gesammelt und dargestellt werden können und Schwerpunkte für örtliche kleine Kampagnen gefunden werden können, zu denen die Betroffenen eingeladen werden.

7. Sie kann emanzipatorische politische und kulturelle Ausdrucksformen entwickeln, die über dem Horizont der bürgerlichen Kultur hinausgehen.

DIE LINKE wird in Teilen noch als „andere“ Partei wahrgenommen, gleichzeitig gehen Professionalisierung und parlamentarische Arbeit damit einher, dass auch die kulturellen Formen des Politbetriebes reproduziert werden – und die Wahrnehmung der „anderen“ Partei ist in dem Zusammenhang zurückgegangen. Die Wahrnehmung der LINKE als normale Partei entfernt uns von denen, die vom politischen Apparat enttäuscht sind, sowohl von den Hartz-IV-Milieus als auch von den Beschäftigten, die sich von der SPD entfernt haben, aber spätestens seit der Krise nichts mehr von „der Politik“ erwarten.

  • Unsere Ausdrucksformen, auch die Verbindung mit linker Kultur, sollten vielfältig und auf der Höhe der Zeit sein. Nostalgie verträgt sich nicht mit dem Ringen um die Zukunft.
  • Wir beginnen einen Austausch über unser Auftreten, unsere Sprachformen, den strategischen Hintergrund unserer Art und Weise, uns zu äußern. Sprechen wir zu den Leuten oder mit ihnen, sind wir defensiv-aggressiv oder offensiv-kämpferisch, was sind unsere Traditionen? Gestaltungsfragen und Fragen der Ästhetik sind politisch-strategische Fragen.

8. DIE LINKE agiert international in Zusammenarbeit mit den anderen Linksparteien. Internationalismus bedeutet aber mehr als Austausch und Besuche, sondern die Entwicklung konkreter politischer Projekte. Mit linken Parteien und anderen sozialen Akteuren.

Die internationale Arbeit der LINKEN gestaltet sich über die Europäische Linke und die gemeinsame Arbeit in der GUE/NGL Fraktion im Europäischen Parlament, über den Austausch mit anderen linken Parteien in Europa und weltweit. Vertreter_innen der LINKEN nehmen an internationalen Treffen der Bewegungen und Parteien teil. Wir haben die europäische Bürgerinitiative gegen die Privatisierung des Wassers unterstützt und die europäischen Proteste gegen die EZB in Frankfurt/Main. Das sind Ansätze einer Europäischen (Gegen-)Öffentlichkeit, an der wir weiter arbeiten wollen. Ein solidarisches Europa wird sich nur von unten aufbauen, indem die Bewegungen und Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Sozialverbände und linke Parteien ihre Arbeit koordinieren. Die linken Parteien können hier Träger von europaweiten Kampagnen werden, die die Gegenüberstellung von Nationen oder Bevölkerungen in solche von oben und unten auflösen helfen. Hier sollen konkrete gemeinsame Perspektiven erarbeitet werden, ein Blick auf mögliche andere Kräfteverhältnisse wie auch politische Konzeptionen: Rückeroberung der Demokratie, Stärkung des Öffentlichen, Umverteilung von oben nach unten.

Kultur in der Partei

Linke Politik muss an den Erfahrungen der Menschen ansetzen und mit diesen kommunizieren können. In den Erfahrungen wird die Geschichte des Landes, der Kontext, in dem sie entstanden ist, mit transportiert. Daraus können Probleme entstehen, weil Geschichte stets etwas „Geschichtetes“ ist, verschiedene Aktive, Führende werden verschiedene Schichten repräsentieren. In der LINKEN ist dies besonders deutlich, weil die Erfahrungen und Strukturen zwischen Ost und West, Alt und Jung, vor den Erfahrungen langer Opposition oder gelegentlicher Regierung so unterschiedlich sind. Nicht alle Streitigkeiten lassen sich darauf zurückführen. Doch ein Projekt, mit dem die Partei vorangebracht werden soll, muss Wege finden, solche „sachlichen“ oder nachvollziehbaren Grundlagen von Streitigkeiten offenzulegen, so dass sie solidarisch bearbeitet werden können. Wenn wir um die Zukunft streiten, dürfen unsere unterschiedlichen Vergangenheiten nicht gegeneinander gestellt werden.

Konflikte sind für unsere Arbeit wichtig. Die Lösungen für gesellschaftliche Probleme liegen nicht einfach auf der Hand. Gemeinsame politische Ziele können nur in Auseinandersetzung errungen werden. Entscheidend ist: Wie werden die Konflikte gebündelt und nach vorne gelenkt, wie können die Vertreter_innen unterschiedlicher Auffassungen sich um gemeinsame Ziele zusammenfinden? DIE LINKE muss auch ein bewusster Ort des demokratischen Konflikts und des Meinungsstreits sein ¬- der demokratisch und transparent zu gestalten ist. Formal regelt das die Satzung, die Gremien, die Beteiligungsformen über Parteitage, Zusammenschlüsse usw. Tatsächlich entscheidet sich viel in der alltäglichen Kultur der Partei, in Umgangs- und Diskussionsformen.

Den Mitgliedern einer linken Parteiführung müsste es gelingen, „sich nicht als Menschen zu begreifen, die auseinander treiben, wenn sie Verschiedenes behaupten, sondern als verschiedene Antworten auf ein und dieselbe radikal zu klärende Frage“. DIE LINKE als linkspluralistische Partei ist in besonderem Maße auf ein solches Verständnis angewiesen. Alle, die die Partei auf unterschiedlichen Positionen führen, im Ortsverein, in der Plakatiergruppe, in Fraktion und Vorständen – und der Möglichkeit nach sind das alle in der Partei -, sind auf diese Haltung angewiesen, um Differenzen nicht zu Gräben auszuweiten und gemeinsames Handeln noch in der Uneinigkeit um die richtigen Strategien zu ermöglichen.

Mehr Praxis wagen – und auswerten, neu machen, verbreiten

Nicht immer stimmt in unseren Aktivitäten das Gleichgewicht zwischen der Bedeutung, die wir Texten zuweisen und der Kraft, die wir ins Organisieren und Verbreitern setzen – auch ins Probieren, in die praktische Erprobung von Konzepten und Ideen. Die Partei ist reich an politischer Praxis. Doch nicht immer gelingt es, die Konzepte auszuwerten, Erfolge zu kommunizieren, voneinander zu lernen und damit einen Fundus von Erfahrungen zu sammeln. Die Diskussionen um die angemessenen Strategien und Inhalte unserer Mietenpolitik in den Monaten des Bundestagswahlprogramms zum Beispiel hat sicherlich der gesellschaftlichen Bedeutung des Themas entsprochen. Aber haben das auch unsere praktischen, öffentlichkeitswirksamen Initiativen? An vielen Orten sind unsere Mitglieder aktiv in Mieterbündnissen. Aber wo war unsere zentrale Kampagne, die die vielen Ansätze in einen Zusammenhang gebracht hätte? Dabei war die FairWohnen AG ein verheißungsvoller Beginn. Wir möchten nachdrücklich einen Wandel in unseren (gemeinsamen) Prioritäten in diesen Fragen vorschlagen. Das Ringen um Texte darf das Ringen um konkrete Politik, um eine Verschiebung der realen Kräfteverhältnisse nicht ersetzen.

Wir wollen eine stärkere Verknüpfung von inhaltlichen und organisatorischen Praxen: Wir entwickeln Kampagnen, politische Projekte und Praxisfelder, die geeignet sind, konkrete Forderungen mit einer transformatorischen Perspektive zu verbinden. Sie setzten in den aktuellen Diskussionen an, müssen sie aber weitertreiben können, neue Horizonte eröffnen. Sie müssen als Veränderungsprojekte fassbar werden. Und sie müssen verschiedene Facetten ermöglichen, damit sie tatsächlich die ganze Partei ergreifen (können) und darüber hinaus für Menschen interessant und offen sind, die sich engagieren möchten und noch keine Mitglieder sind. Es wird so ein lebendiger Rahmen geschaffen, in dem sich Leute einbringen können – auch organisatorisch: Die Kampagnen sollen eigenständig Mitglieder und Unterstützer_innen werben.

Dabei geht es nicht nur darum, zentral ausgearbeitete Kampagnen umzusetzen und durchzuführen. Diese Politikformen brauchen bei aller politischen Klarheit offene Momente, die im Verlauf der Kampagne selbst entwickelt werden. Sie bestehen aus Bildungskomponenten, dem Aufbau eigener Strukturen (die nach Ende von Kampagnen wieder rückzubauen sind), aus regionalen Zentren / Schwerpunkten, aktiver Ansprache von Bündnispartner_innen, Organizing und Mitgliedergewinnung vor Ort.

Um diese Ansprüche in die Praxis zu bringen, schlagen wir die folgenden Projekte und Aktivitäten vor:

Konkrete Aktivitäten und Arbeitsvorhaben

Die nachfolgenden Vorhaben sind als Einstiege auf verschiedenen Ebenen gedacht. Sie sollen in konkrete Arbeitsvorhaben überführt werden. Nicht alle können und sollen alles machen – schon gar nicht ist das Folgende gedacht als Aufgabenliste für einzelne Basisorganisationen.

  1. Politische Projekte und Kampagnen: Die Partei startet zwei bis drei politische Projekte, die in gesellschaftlich wirksame Kampagnen münden. Sie sollen über die nächsten zwei bis drei Jahre geplant werden, mit einer gewissen Offenheit für aktuelle Entwicklungen. Es sollen keine top-down-Kampagnen sein. Zunächst beginnen einige stärkere Kreisverbände. Als Themen schlagen wir vor:
    1. Kampagne gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, gegen die Kultur von Stress und Angst in Arbeit und Gesellschaft. Sie soll helfen, Bündnisse von Erwerbslosen, Prekären und Beschäftigten zu stiften. Als Teil dieser Auseinandersetzung wollen wir auch geeignete Formen finden, wie wir die Debatte um die Verkürzung der Arbeitszeiten und ein neues Verständnis von „Normalarbeitsverhältnissen“ anschieben und verankern können. Die Notwendigkeit ist für viele Menschen unmittelbar einleuchtend: Dass Maschinen und Technologie produktiver werden, sollte nicht in Unglück und Erwerbslosigkeit, sondern in mehr Reichtum an Zeit für alle münden. Aber vor dem Hintergrund zunehmender Konkurrenz und Flexibilisierung verbinden viele Menschen mit Arbeitszeitverkürzung Verluste im Einkommen und die Anforderung, leer gelaufene Arbeitszeitkonten wieder nachzuarbeiten. In diesem Spannungsverhältnis wollen wir eine Debatte um gerechte Verteilung von Zeit, Erwerbsarbeit, Reproduktion, politische Einmischung, Muße, Erholung, etc. beginnen.
    2. Für ein soziales, demokratisches und solidarisches Europa – gegen die neoliberale Hegemonie. Die Krisenpolitik von Merkel treibt viele Menschen in die Arme ihrer Export- und Kürzungspolitik. Unsere Gegenposition trennt die Kritik der Austerität vom Ressentiment gegen Europa bzw. die so genannten „Krisenstaaten“.
    3. Für Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge und Infrastruktur – zugespitzt auf wenige konkrete Ziele (z.B. zur Einführung einer Vermögensteuer, Einführung einer Gemeindewirtschaftssteuer usw. – die genauen Kampagnenziele sollen im Rahmen eines Workshops entwickelt werden). Wir schlagen vor, diese Kampagne mit den anstehenden Kommunalwahlen zu verbinden und rechtzeitig für die dort anstehenden Wahlkämpfe zu beginnen. Dadurch werden linke Lösungen für die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen greifbar und anschaulich präsentiert. Selbstverständlich kann eine solche Kampagne mit der Begrenzung von Einkommensungleichheiten z.B. der 1:20-Initiative verbunden werden. Auf allen drei Feldern entwickeln wir konkrete Kampagnen-Pläne und -Ziele mit Forderungen, die geeignet sind, dass sich gesellschaftliche Bündnisse darum bilden können.
  2. Organizer ausbilden und rekrutieren: Dabei schärft die Partei ihre Fähigkeit, Kampagnen zu organisieren und sucht sich Hilfestellung zur Ausbildung von „Organizern“. Diese sollen zur Mitgliedergewinnung eingesetzt werden und Projekte in Bereichen durchführen, in denen wir von Potenzialen von Wähler_innen und Unterstützer_innen ausgehen können. Zentral sind in unseren Zielgruppen die Beschäftigten bis in die sozial demobilisierten Milieus von Erwerbslosen und Prekären hinein. Angesichts der schlechteren finanziellen Situation der LINKEN geht es zunächst um die Umschichtung von Zeit und Ressourcen und die Qualifizierung von Mitgliedern: etwa Ressourcen und Zeit stärker aufwenden für Organizer, für Beauftragte für Kampagnen-Entwicklung und -Durchführung und für Mitglieder-Betreuung (auch z.B. bei Austritten, ausbleibenden Zahlungen). Im Zusammenhang mit dem Projekt LINKE2020 sind Zielvereinbarungen getroffen worden, wie viele Mitglieder die Landesverbände gewinnen sollen. Hier wurde viel erreicht und viele Anstrengungen gemacht. Wir möchten darüber hinaus vorschlagen:
    • Auf allen Ebenen der Partei machen wir eine Analyse- und Fortbildungsphase unserer Kampagnen-Fähigkeit. Das betrifft auch eine Analyse der Personalstruktur: wo können Funktionen ausgelagert werden, wo lassen sich Ressourcen freimachen für die Stärkung des Organisierens.
    • Ein zentraler Workshop zur Entwicklung eines Kampagnenplans mit der Parteiführung und den Bereichsleiter_innen / ausgewählten Mitarbeiter_innen im KLH. Dies wird unterstützt durch ORKA.
    • Daran schließen Workshops an, in denen wir die daraus folgende Arbeit in den Bereichen K&P, PolB, S&G und BMÖ entwickelt wird.
    • Konzeptionelle Entwicklung von auf DIE LINKE abgestimmten Multiplikator_innen-Trainings.
    • Durchführung von Multiplikator_innen-Trainings in Campaigning und Organizing in Zusammenarbeit von Zuständigen im KLH, ORKA, RLS. Wir beginnen hier zunächst mit einem Pilotprojekt.
    • Entwicklung eines neuen Kampagnen-Leitfadens für die Gliederungen, der auf die oben genannten Formen abgestimmt ist und die Funktionen der LINKEN und die zentralen Inhalte der (beiden) kommenden Kampagnen bereits anlegt.
  3. Kommunalwahlen und kommunalpolitische Verankerung: Die Kommunalwahlen im nächsten Jahr werden genutzt, um insbesondere im Westen die Verankerung der Partei in den Kommunen auszubauen. Im Osten arbeiten wir gezielt daran, jüngere Interessierte für die Kommunalpolitik zu binden und für die Kandidatur auf unseren Listen zu motivieren. Dazu baut die Partei ihr kommunalpolitisches Profil aus und unterstützt die Basisorganisationen und Kreisverbände. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass auch auf der kommunalen Ebene die Verzahnung der parlamentarischen Vertretung mit außerparlamentarischen Gruppen und „Bewegungen“ – wie Initiativen gegen Privatisierung öffentlichen Eigentums oder der Rekommunalisierung z.B. der Stromnetze oder der Wasserversorgung – wichtige und wahrnehmbare Handlungsfelder sind. Wir wollen Strategien diskutieren, wie sich kommunale und auf die Länderebene bezogene Politik entwickeln lässt, die die Interessen der Menschen mit transformatorischen Perspektiven zu verbinden versteht. Hier wollen wir eine Verständigung über Strategien der Verbindung von kommunalen und transformatorischen Perspektiven – auch auf unterschiedliche kommunale Konstellationen bezogen – herbeiführen.
  4. Verankerung in sozialen Bewegungen: Wir wollen die Beteiligung an und Verankerung in sozialen und politischen Bewegungen ausbauen. Dabei gilt es an die erfolgreichen Erfahrungen bei Blockupy und Umfairteilen anzuknüpfen. Hier hat DIE LINKE zweifellos an Profil gewonnen. Es gilt jedoch auch zu überlegen, wie beiden „Bewegungen“ mehr Ausstrahlung und Stoßkraft verliehen werden kann. So hat Blockupy fast keine Ausstrahlung in die Gewerkschaften hinein, der Kampagne Umfairteilen fehlen konkrete Forderungen, ein klarer Gegnerbezug und eine nachvollziehbare Strategie, wie ernsthaft Druck zu entfaltet ist, bzw. Forderungen durchgesetzt werden können. Hier wäre in Verknüpfung mit Kampagnenarbeit ein Konzept von uns zu entwickeln. Zur Verankerung in sozialen Bewegungen gehören auch die vielfältigen Initiativen, Bürgerbegehren und Volksabstimmungen insbesondere gegen Privatisierung oder für Rekommunalisierung und auch gegen unsinnige Großprojekte wie Stuttgart 21. Hier kann die Partei zur Beteiligung oder gar Initiierung solcher Bewegungen vor Ort motivieren. Das kann klein beginnen: Mit der Einladung zu einem Bündnistreffen oder zu einem offenen Austausch zu Aktionsideen. Dazu gehört, dass die vielfältig gesammelten Erfahrungen aufgearbeitet und den Mitgliedern und Interessierten zur Verfügung gestellt werden (Best Practice oder von anderen lernen). Der bereits ins Leben gerufene Bewegungsratschlag ist eine wichtige Einrichtung, um den notwendigen Diskussionsprozess mit Repräsentant_innen der außerparlamentarischen Bewegung in Gang zu halten und auch konkrete Verabredungen zu treffen.
  5. Verankerung in Gewerkschaften: Zwei Schwerpunkte wollen wir zunächst setzen: Auf die so genannten „Frauenberufe“, insbesondere in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Hier treffen politische Gestaltungsmöglichkeiten, allgemeine Interessen der Bevölkerung und seit einigen Jahren eine erhebliche Kampfbereitschaft, ein großes Ungerechtigkeitsempfinden der Betroffenen zusammen. Das Öffentliche ist verbunden mit Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, wie privater Reichtum in gesellschaftlichen Nutzen für die Mehrheit überführt werden kann. Darüber hinaus steht im Mittelpunkt unserer Strategieentwicklung die Frage, wie sich die Unzufriedenheit in den Betrieben mit den durch die Krise verschärften Arbeitsregimen in Protest und politische Organisierung überführen lassen. Der zwischenzeitlich ins Leben gerufene gewerkschaftspolitische Ratschlag soll einen kontinuierlichen Rahmen dafür bilden. Gleichzeitig haben wir die Chance, interessierte (auch: jüngere) ehrenamtliche oder hauptamtliche „Funktionärinnen und Funktionäre“ anzusprechen, wenn wir verstärkt Formate entwickeln, die für sie einen praktischen „Nutzwert“ haben. Ein gutes Beispiel ist die von der RLS zusammen mit dem ver.di Bezirk Stuttgart organisierte Streikkonferenz, auf der praxisnah und erfahrungsorientiert neue Streikformen vorgestellt wurden. Hier lassen sich auch Formen finden, gemeinsame Probleme und Strategien zu diskutieren, z.B. die Entwicklung von Organizing-Ansätzen, die gesellschaftliche Transformation mit in den Blick nehmen. Ähnliche Angebote sind auch zu Themen wie konfliktorientierter Betriebspolitik, oder betriebs- und tarifpolitischen Ansätzen gegen prekäre Arbeit möglich und sinnvoll. Eine Strategietagung zum Streik im Einzelhandel wurde Ende Oktober mit der RLS durchgeführt. Darüber hinaus werden Konzepte und Vorschläge entwickelt, wie Kreis- und Ortsverbände Zusammenarbeit mit örtlichen Gewerkschaftsgliederungen schaffen und verbessern können.
  6. Nachwuchsförderung: Die Partei entwickelt ein neues Nachwuchsförderungsprogramm. Dabei geht es um die gezielte Vermittlung von theoretischer und praktischer Qualifizierung von jüngeren Mitgliedern und Aktivist_innen (25-40 Jahre) Es geht in erster Linie um grundsätzliche politische Qualifikationen (Politökonomie, Gesellschaftswissenschaft, Parteiengeschichte, demokratischer Sozialismus…), aber auch um den Erwerb konkreter Fähigkeiten, wie Sitzungsleitung, Präsentation, Rhetorik, Organisierung von Gruppenprozessen, usw. Ziel ist die Qualifizierung von Ehrenamtlichen für Kreisvorstände, Leitung von Basisorganisationen, für Bildungsarbeit und auch für hauptamtlichen Nachwuchs. Derzeit arbeitet bereits eine Gruppe aus Partei und Stiftung an einem Grobkonzept. Ziel wäre ein Pilotprojekt in zwei Landesverbänden ab Januar 2014 durchzuführen (möglichst ein Ost- und ein Westlandesverband). Die Teilnehmer_innen werden über die Landesverbände gefunden. Das bereits eingeführte Mentoring-Programm zur gezielten Frauenförderung soll fortgeführt werden.
  7. Aufbau von tragfähigen Strukturen und von Ressourcen: In den letzten Jahren hat es in vielen Basisorganisationen und Kreisverbänden Krisen gegeben, Streit hat zum Rückzug vieler Mitglieder geführt. Wir wollen einen Prozess der Konsolidierung einleiten. Basisorganisationen, Kreis- und Ortsverbände sollen ihre Arbeitsstrukturen nach und nach so ausbauen, dass sie ihre politische Praxis und Ausstrahlung vor Ort erweitern können. Gleichzeitig müssen die Strukturen geeignet sein, die vorhandenen Mitglieder zu aktivieren, neue Mitglieder und Interessierte zu integrieren. Hierzu wollen wir Ideen entwickeln, wie die Ressourcen für die Arbeit in den Landesverbänden und Basisorganisationen, insbesondere dort, wo wir nicht in Landesparlamenten vertreten sind, gesichert oder gar ausgebaut werden können. Hierzu wird ein gesondertes Papier vorgelegt.
  8. Jugendoffensive: Die Werbung von jugendlichen Mitgliedern und jungen Erwachsenen wird ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit. Der Eintritt von 3 000 neuen Mitgliedern im letzten halben Jahr und besonders in der „heißen“ Phase des Wahlkampfes ist ermutigend. In Zusammenarbeit mit Solid, SDS und Fachleuten aus der Partei, auch aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wird dazu ein Konzept erarbeitet. Erfahrungen mit bereits vorhandenen Ansätzen (Jugendcafe in Erfurt, offenes Büro in Leipzig, BV Neukölln usw.) werden dabei einbezogen.
  9. Werbung und Integration neuer Mitglieder: DIE LINKE muss in vielen Bereichen ihre Basis erweitern. Über die bisherigen Ansätze hinaus werden wir hierzu neue Strategien entwickeln. Dies betrifft einerseits die Verbindung von Kampagnen mit Mitgliederwerbung: Konkrete Themen und Aktivitäten sind oft geeignet, neue Mitglieder zu gewinnen und ein aktives Verständnis davon zu vermitteln, was es bedeutet, Mitglied der LINKEN zu sein. Durch den Einstieg über ein konkretes Projekt werden Beziehungen zu Leuten geknüpft, die schon länger dabei sind; die Strukturen der Partei werden in der Praxis erlebt – ohne einen Sonderstatus als „Novize“ (dabei sollen die bestehenden Strukturen von Mentoring und Neumitgliedertreffen nicht in Frage gestellt werden). Der Übergang zur Mitarbeit in den regulären Strukturen und Engagement in einer Ortsgruppe fällt dann leichter. In strukturell schwierigen Regionen, z.B. wenn die bestehenden Mitglieder relativ homogen sind und sich schon lang kennen, kann ein Eintritt in die alltägliche Arbeit durch gemeinsame Eintritte oder Entwicklung von Projekten erleichtert werden. Darüber hinaus wird die Werbung von Mitgliedern in die Aufgaben der Organizer eingebettet. Die Erfahrungen mit linksaktiv sind in diesem Zusammenhang auszuwerten, an vieles kann angeknüpft werden.
  10. DIE LINKE bemüht sich um einen regeren Austausch mit Intellektuellen. Trotz der Arbeit der RLS wirkt die Partei oft seltsam losgelöst von intellektuellen Auseinandersetzungen. Unser Agieren hier geht in zwei Richtungen: Das intellektuelle (und künstlerische) Feld ist selbst auch im Umbruch. Erschöpfte Theoriehorizonte und Transformationsvorstellungen einerseits, Wahlenthaltungsaufrufe andererseits. Fragen, wie wir neue Formen des Dialogs entwickeln können, wie von einzelnen Reformprojekten Perspektiven aufs Universelle kommen, Fragen einer linken Erzählung bedürfen des intellektuellen Austauschs. Wir haben hier erste Gespräche geführt, eine „Runde kritischer Köpfe“ ins Leben gerufen. Wir wollen gemeinsam neue Formate für Veranstaltungen entwickeln, die sich jenseits des politischen Jargons und reiner Wissensvermittlung bewegen.
  11. Mit Blick auf Europa (und allgemeiner auf internationalistische Politik) zielen wir stärker auf gemeinsame Kampagnen und eine Verknüpfung mit unseren allgemeinen Strategien. Das betrifft in Europa z.B. Positionen und Strategien zu europäischen Kampagnen zu entwickeln, die DIE LINKE/EL auch gemeinsam mit Bewegungsakteuren und Gewerkschaften durchführen kann und die gegenhegemonialen Strukturen zuträglich sind. Ein Projekt, das wir verstärkt voranbringen wollen: eine breite Initiative für eine europaweite Vermögensabgabe für Reiche.
    • Es wird zu überlegen sein, ob der Europawahlkampf nicht bereits mit neuen Formaten von Veranstaltungen, Zusammenarbeit mit Intellektuellen, Künstlerinnen und Künstlern und jenseits der professionellen Politiksprache experimentieren kann. Zeitnah werden wir hierzu eine Strategieberatung durchzuführen.
    • In den Großstädten wollen wir beginnen, Gruppen der Europäischen Linken zu gründen, die gemeinsame Diskussionen über Sprachbarrieren hinweg ermöglichen („Geschäftssprache“ wahrscheinlich englisch).
  12. Um diese (und weitere) Fragen systematisch zu verfolgen und die Debatte in der Partei darum zu befördern, werden wir im kommenden Jahr einen Zukunftskongress organisieren. Hier wollen wir auch mit der Diskussion immer wieder aufgeschobener Themen in der LINKEN beginnen, um einen Diskussionsprozess einzuleiten, der nicht von vornherein auf die Gewinnung von Mehrheiten auf dem Parteitag begrenzt ist.

Das vorliegende Konzept ist dazu gedacht, breit in den Gremien der Partei diskutiert zu werden, wie auch mit interessierten Gruppen außerhalb und im Umfeld der LINKEN. Gleichzeitig wird mit den Akteuren (BGF, LGF, LV, KLH und ihren Bereichen) ein Diskussions- und Arbeitsprozess organisiert, z.B. in Form von Workshops. Viele Vorhaben sind hier nur vermerkt, die inhaltlichen und konzeptionellen Ausgestaltungen folgen erst noch.

Der Katalog von Plänen und Aufgaben klingt zunächst nach viel. Selbstverständlich kann nicht alles sofort und wird nicht alles von allen gemacht werden. Ein konkreter Zeitplan und Ablaufplan mit Zuständigkeiten wird noch erstellt.

Anmerkungen

(1) Bis zum Durchmarsch des Neoliberalismus galt mehr oder weniger (umkämpft) die Kompromissformel „harte Arbeit tauscht sich gegen soziale Sicherheit“ – und hatte sich in Deutschland etwa gegen den konservativen Neoliberalismus unter Kohl noch verteidigen lassen. Damit einher gingen Organisationsformen, die darauf gerichtet waren, in weiten Teilen Kompromisse für die Beschäftigten, für die Mehrheit der Menschen herauszuarbeiten. Früher aktive Kampforganisationen der Arbeiterbewegung wandelten sich im Fordismus zu Organisationen, die diese Kompromisse im Dreieck von Staat, Gewerkschaften und Kapital erarbeiteten. Dabei delegierte die Basis nicht immer freiwillig, aber in weiten Teilen auch nicht ungern diese Funktion an die Führungen.

(2) Gleichzeitig sollten diese Erfahrungen und Politiken Teil unserer koordinierten Kommunikation sein und die Vernetzung zwischen den Kommunalpolitiker_innen erleichtern. Best-Practice-Beispiele und andere Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches sind zu verstärken; auch durch Verbesserung unserer Online-Möglichkeiten.


 
 

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